Es darf keinen zweiten Lockdown geben

Memmingen - In den wirtschaftspolitischen Gedankenaustausch in Zeiten von Corona traten Andrea Thoma-Böck, Vorsitzende der IHK-Regionalversammlung Memmingen und Unterallgäu, Dr. Albert W. Schultz, Vizepräsident der IHK Schwaben, Markus Anselment, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, Gottfried Voigt, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Memmingen-Mindelheim, Kreishandwerksmeister Enrico Karrer, Heinz Heider, stellvertretender Kreishandwerksmeister und Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder gemeinsam mit den beiden Staatssekretären Klaus Holetschek (MdL, Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr) und Roland Weigert (MdL, Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie) sowie dem arbeitsmarktpolitischen Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag Stephan Stracke (MdB).

"Bayern ist bis dato gut durch die Corona-Krise gekommen, trotzdem muss ein zweiter Lockdown vermieden werden“, sagte Weigert. Die politischen Entscheidungen der vergangenen Monate mussten ohne eine Blaupause getroffen werden. „Der Schutz der Bevölkerung stand dabei an erster Stelle. Aber auch die Stabilisierung der Wirtschaft war für unsere Entscheidungen maßgeblich“, sagte er über die milliardenschweren Staatshilfen, die seit Beginn der Corona-Krise in die Wirtschaft flossen. Deswegen gehe es Weigert und Holetschek zufolge in erster Linie darum, eine zweite Schließung der Wirtschaft zu verhindern.

Holetschek: „Wir müssen vermeiden, dass die gesamte Wirtschaft bei einer zweiten Welle erneut in eine tiefe Schockstarre fällt. Diesen Spagat aus verantwortungsvollem Gesundheitsschutz und den richtigen Impulsen und Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und das Handwerk müssen wir meistern“.

Bei der Digitalisierung habe die bayerische Staatsregierung auch schon vor der Corona-Krise die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt. Als Beispiel nannte Weigert den Ausbau der digitalen Infrastruktur auf der Basis der 5G- und 6G-Mobilfunkstandards. Zusammengefasst bedeute das für den Wirtschaftsstaatssekretär die Investition in neue Märkte, Technologien und Produkte, auch um die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder mehr anzufachen.

Forderung nach verkaufsoffenen Sonntagen

„Wir haben einen höheren Aufwand an Hygienekosten durch die Corona-Vorschriften, die wir nicht Eins zu Eins an unsere Kunden weitergeben können“, so Heinz Haider, der als stellvertretender Kreishandwerksmeister von der aktuellen Lage in der besonders vom Lockdown betroffen Friseurbranche berichtete. Auch der Einzelhandel hat seit Mitte März mit massiven Einbußen zu kämpfen, wie Markus Anselment erläuterte. Als Vertreter der Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen forderte er die Politik dazu auf, verkaufsoffene Sonntage zumindest zeitweise ohne den sogenannten Anlassbezug zu genehmigen. Denn bisher sei die Ladenöffnung am Sonntag nur in Verbindung mit einer lokalen Veranstaltung erlaubt. Und diese mussten alle abgesagt werden.

Duale Ausbildung und Schule in Corona-Zeiten

Die IHK-Regionalvorsitzende Thoma-Böck setzte sich vehement für die Stärkung der dualen Berufsausbildung ein. Dafür nötig ist der Ausbau der Infrastruktur, sowohl an allgemeinbildenden Schulen als auch den Berufsschulen. „Die Fachkräfte von morgen starten ihre Ausbildung in den Berufsschulen. Dieser Schulart kommt daher für die regionale Wirtschaft eine zentrale Bedeutung zu. Daher müssen die Kommunen sowohl in die bauliche Substanz als auch in die digitale Infrastruktur und technische Ausstattung investieren“, so Thoma-Böck. Dr. Schultz ergänzte, dass die etablierten Berufsbilder neben den neuen Ausbildungsberufen rund um die Digitalisierung nicht vernachlässigt werden dürfen. Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder schloss sich der Position der Wirtschaft an und machte deutlich, dass die Modernisierung der kommunalen Bildungseinrichtungen oberste Priorität hat. Wichtig sei eine moderne Ausstattung aller Schularten, zu der allerdings nicht nur die Digitalisierung zähle. Gerade jetzt brauche es vonseiten der Politik mehr Anreize für Unternehmen, junge Menschen auszubilden, so die Meinung der Kammern. „Die berufliche Ausbildung ist trotz der Corona-Krise ein hohes Gut, auch wenn aktuell berufsorientierte Angebote wie Praktika oder Ausbildungsmessen nicht stattfinden können“, merkte Voigt dazu an. Aus Sicht der regionalen Wirtschaft und deren Beschäftigten äußerte Thoma-Böck nochmals die Hoffnung, dass es zu keinen weiteren Schulschließungen kommt. Dass es hierfür eine schnelle Lösung und ein tragfähiges Konzept brauche, möglichst schon für das kommende Schuljahr, stimmten auch Holetschek und Stephan Stracke zu. Thoma-Böck wies des Weiteren noch auf die überbordende Bürokratie hin und forderte schnelle Erleichterung für Unternehmen. „Wann denn Bürokratie abbauen, wenn nicht jetzt“, betonte Thoma-Böck.

Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und Energiewende

„Eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate sichert Arbeitsplätze“, sagte Dr. Schultz auch mit Blick auf die großen Unternehmen der Region. Dem stimmten Stracke und Holetschek zu und betonten, dass das Kurzarbeitergeld den sozialen Frieden sichere. Weiter brachte Dr. Schultz die Versorgungssicherheit der regionalen Wirtschaft mit bezahlbarem Strom zur Sprache. Da gerade Schwaben seinen Strom noch zu einem wesentlichen Teil aus dem Kernkraftwerk Gundremmingen beziehe und dieses im Zuge der Energiewende abgeschaltet wird, kommt dem Thema in der Regioneine besondere Bedeutung zu. Hierfür gebe es laut Dr. Schultz vonseiten der Politik für die schwäbischen Unternehmen noch keinen tragfähigen Lösungsansatz zur Sicherstellung der notwendigen Versorgungsqualität.