Energiepolitik der Ampel: Einig bei den Belastungen, Streit über Entlastungen

Nach den energiepolitischen Entscheidungen der Bundesregierung in den vergangenen Wochen ist das Chaos groß und viele Fragen bleiben offen: 

1. Die von der Bundesregierung mit der Gaspreisanpassungsverordnung  verabschiedete sogenannte Gasbeschaffungsumlage ist zur Chaosumlage geworden. Die Konzipierung durch die Ampel-Regierung weist schwere Mängel auf: Sie ist intransparent, wird mit der Mehrwertsteuer belegt, unterstützt auch solvente Unternehmen und ist zudem handwerklich schlecht gemacht. Aus guten Gründen haben wir die gesetzliche Grundlage im Energiesicherungsgesetz abgelehnt. Alle unsere Bedenken und Hinweise während des Gesetzgebungsverfahrens hat die Ampel ignoriert. Nachbesserungsbedarf hat sie schon vor Wochen eingeräumt, aber in der Sommerpause trotzdem nicht gehandelt. Ob, wann und wie die Ampel ihre Nachbesserungen umsetzt und inwiefern sich dies auf den geplanten Umlagebeginn zum 1. Oktober 2022 auswirkt, ist unklar.   

a) In die Umlage nach derzeitigem Stand nicht einbezogen sind Fernwärme- und Festpreisverträge. Das bringt erhebliche Risiken für die Stadtwerke und Energieversorger mit sich. Sie müssen für das gesamte bezogene Gas Umlagen bezahlen, können das aber in beträchtlichem Umfang nicht weitergeben.

b) Noch in der Sondersitzung des Klimaschutz- und Energieausschusses am 3. August 2022 verteidigte die Bundesregierung die Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Umlage. Als das Bundeskabinett die Umlageverordnung am 4. August beschloss, muss der Ampel bereits klar gewesen sein, dass die Mehrwertsteuer bei der gewählten Umlagekonstellation nicht vermieden werden kann. Der Ampelbrief nach Brüssel blieb ein Ablenkungsmanöver. Dem folgte ein Panikmanöver: Bundeskanzler Scholz gab in seiner nicht einmal zweiminütigen Pressekonferenz ohne jede Nachfragemöglichkeit die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas auf sieben Prozent bekannt. Dies begründete er damit, dass durch diesen Schritt „die Gaskunden insgesamt deutlich stärker als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht“ entlastet würden. Bundeskanzler Scholz hat mit dieser nachweislich falschen Aussage die Öffentlichkeit getäuscht, das musste mittlerweile auch sein Sprecher zugeben. Dass der zuständige Bundesfinanzminister Lindner die in der Zwischenzeit als falsch bestätigte Aussage am 22. August wiederholte, ist bemerkenswert. Auch hier gibt es bis heute keine offiziellen Informationen der Bundesregierung zu den Wirkungen der geplanten Entlastungen und der Umsetzung der gesetzlichen Änderungen.

c) Die von Bundeswirtschaftsminister Habeck am 15. August 2022 verkündete Höhe der Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde bleibt intransparent. Eine Berechnung für die Umlagehöhe ist die Regierung schuldig. Dies ist vor dem Hintergrund der Belastungen für Bürger und Wirtschaft nicht nur politisch unhaltbar. Auch aus Gründen der vom Gesetzgeber in § 26 EnSiG geforderten Darstellung der Berechnungsgrundlage und der eingeräumten Kontrolle des Parlaments über die Rechtsverordnung der Regierung muss die Berechnungsgrundlage genauso veröffentlicht werden wie die von den Unternehmen angemeldeten Beträge bei der Trading Hub Europe.

d) Erst auf öffentlichen Druck hin wurden die die Umlage voraussichtlich in Anspruch nehmenden Unternehmen bekannt gegeben. Dabei stellte sich heraus, dass unter Umständen auch Energieunternehmen die Umlage erhalten, die in der aktuellen Lage hohe Gewinne erzielen. So wird die Chaosumlage schließlich auch noch zu einer Übergewinnumlage. Das BMWK begründet dies mit verfassungsrechtlichen Vorgaben der Gleichbehandlung. Dass der Wirtschaftsminister einerseits eine Übergewinnumlage konstruiert, andererseits öffentlich eine Übergewinnsteuer fordert, passt hinten und vorne nicht mehr zusammen.

e) Die von der Ampel angekündigten Entlastungen bleiben vage: Es gibt keine belastbare Mitteilung der Bundesregierung zu Zeitpunkt oder Ausgestaltung. Bei den Zusatzkosten sind die Ampelparteien sich schnell einig, bei den Entlastungen gibt es Streit. So riskiert die Ampel soziale Spaltung und wirtschaftliche Schieflage. Bürger mit kleinen Einkommen, wissen jetzt schon nicht mehr, wie sie ihre Nebenkosten bezahlen sollen. Auch Normalverdiener brauchen spätestens bessere Unterstützung, spätestens wenn die Umlage kommt. Gleiches gilt für energieintensive Betriebe. Es wäre nichts gewonnen, wenn zwar Gasimporteure gestützt werden, ganze Branchen aber in die Knie gehen.

2. Bei den Rekordenergiepreisen sparen die Bürger und Unternehmen aus Eigenanreiz Energie ein. Daher offenbaren die von der Bundesregierung beschlossenen Einsparverordnungen ein eigenartiges Verständnis. Während die Ampel Einsparerwartungen für Privathaushalte und Wirtschaft formuliert, vermeidet sie selbst, die notwendigen politischen Entscheidungen zu treffen. Wir fordern deshalb von der Bundesregierung einen umfassenden Energiesparpakt von Bund, Ländern und Kommunen, das unmittelbare Drosseln der Gasverstromung und den Abschluss belastbarer Solidaritätsverträge mit allen europäischen Nachbarn.

3. Die Aktivierung von Ersatzkraftwerken, um Gas einzusparen, hat bislang zur Rückkehr eines einzigen Kraftwerks in den Markt geführt. Das ist auch hier handwerklichen Mängeln der zugrundeliegenden Verordnung (Stromangebotsausweitungsverordnung) geschuldet, die die Planungssicherheit der Kraftwerksbetreiber beeinträchtigen. Bei der Bioenergie hat die Ampel zunächst unseren Antrag zur Anhebung des Biomasse-Deckels im Bundestag abgelehnt (BT-Drs. 20/2621 v. 06.07.2022), anschließend drehte der Bundeswirtschaftsminister bei: passiert ist weiter nichts. Die Behauptung der Ampel, ein Stromproblem bestünde nicht, ist längst widerlegt und der befristete Weiterbetrieb sicherer Kernkraftwerke ist umso notwendiger. Doch die Ampel verschleppt die Veröffentlichung der Ergebnisse des angekündigten Strom-Stresstests, die so offenbar immer mehr zum Stresstest für die Koalition insgesamt wird. Weiterhin wird viel zu viel Gas verstromt, teils mehr als im vergangenen Jahr. Für uns als Union ist klar, jedes nicht gasbasierte Kraftwerk, das zum Einsatz kommen kann, sollte laufen, das sichert die Versorgung und dämpft die Energiepreissteigerungen.

4. Entscheidungen über ein kohärentes Entlastungskonzept lassen trotz Auslaufen des Tankrabatts und 9-Euro-Tickets weiter auf sich warten. Die Bürger werden neben den Preissteigerungen bei Strom, Gas und Öl zusätzlich von den verschiedenen Umlagen belastet. Neue Diskussionsbeitrage aus der Ampel für etwaige Entlastungsmaßnahmen gibt es jeden Tag, Entscheidungen schon seit Wochen nicht. Besondere Sorge bereitet uns, dass weiter kein Konzept verabschiedet wurde, das die Erfordernisse von Energieeinsparungen und Bürgerentlastungen zielgerichtet zusammendenkt. 

5. Es droht eine schleichende Deindustrialisierung Deutschlands. Unternehmen sind durch die hohen Gaspreise und die Gasumlage massiv belastet, einige legen aktuell monatlich drauf. Von der geplanten Mehrwertsteuersenkung profitieren Unternehmen nicht. Sie bleiben auf den Mehrkosten der Gasumlage sitzen. Hinzu kommen Rekordstrompreise und eine unklare Perspektive, wie sich die Energiepreise zukünftig weiterentwickeln. Das alles kann dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr mit den Angeboten aus dem Ausland mithalten können. Arbeitsplätze, Lieferketten und der Industriestandort Deutschland sind in Gefahr. Wir erwarten vom Bundeswirtschaftsminister, dass er für die Unternehmen, die auf wettbewerbsfähige Energiepreise angewiesen sind, wirksame Maßnahmen ergreift. Auch hier sind den vielen Ankündigungen der Regierung keine beherzten Taten gefolgt. In einer Sondersitzung des Ausschusses wurde von der Bundesregierung lediglich allgemein auf das schwache Interesse am Energiekostendämpfungsprogramm verwiesen. Wenn es aber, wie in der Presse berichtet, zutrifft, dass von den fünf Milliarden ins Schaufenster gestellten Euro bisher kaum Hilfen an Unternehmen ausgezahlt wurden, dann lässt das nur einen Schluss zu: Es ist unredlich, erst Hilfe zuzusichern, die Regeln dann aber so streng zu formulieren, dass sie praktisch nahezu ins Leere läuft.

6. Die Bundesregierung macht beim kurzfristigen Einkauf von Flüssiggas keine Fortschritte. Entgegen vorheriger Ankündigungen konnten weder in Katar noch in Norwegen oder Kanada absehbare Lieferungen gesichert werden. Die Ampel hatte in Aussicht gestellt, die Beschaffungen politisch zu flankieren, es handelt sich also nicht allein um eine Aufgabe der Importeure. Nach diesen ernüchternden Ergebnissen, sich anbahnende Versorgungsengpässe mit der fehlenden Infrastruktur zu begründen, ist insbesondere dann unglaubwürdig, wenn im gleichen Atemzug der Aufbau der Infrastruktur bis zum Winter verkündet und selbiger über Jahrzehnte von grünen Interessengruppen verhindert wurde.

Angesichts der vielen offenen Baustellen der Ampel bekräftigen wir die Forderungen unsere Fraktion mit einem umfassenden Sechs-Punkte-Plan:

1. Die Gasbeschaffungsumlage muss aufgehoben werden. Wir werden dazu einen Antrag nach § 26 Absatz 4 Satz 2 EnSiG in den Bundestag einbringen. Die Bundesregierung muss die Stützungsmaßnahmen in den §§ 29, 26 und 24 EnSiG nach der von ihnen selbst geschaffenen Regelungen einhalten. Dabei hätten die Stabilisierungsmaßnahmen nach § 29 EnSiG vorrangig intensiv und zielgerichtet geprüft werden müssen und das Ergebnis dieser Prüfung hätte als Grundlage zur Entscheidung über alle weiteren Schritte dargelegt werden müssen. All das ist nicht erfolgt.  Zudem muss die Bundesregierung die Berechnungsgrundlage der Gasumlage in Höhe von 2,419 ct/kWh offenlegen. Darüber hinaus wirft die Ausgestaltung der Umlage durch die Bundesregierung erhebliche Fragen auf. Vor diesem Hintergrund kann die aktuell erlassene Rechtsverordnung keinen Bestand haben und muss aufgehoben werden.

2. Gerade im Hinblick auf notwendige Einsparungen und gleichzeitige Versorgungssicherheit müssen Solidaritätsverträge mit den europäischen Partnern abgeschlossen werden. Die Energieversorgung einschließlich der Stromversorgung, die Erlangung der Unabhängigkeit von russischem Gas und die damit verbundenen Einsparungen sind eine gemeinsame Aufgabe der europäischen Länder. Nur mit den europäischen Partnern gemeinsam wird ausgehend vom Gas-Notfallplan mit freiwilligem Sparen europäische Solidarität im Ernstfall konkret. Deutschland verfügt über solche Abkommen bislang nur mit Dänemark und Österreich.

3. Der Biomasse-Deckel muss befristet angehoben, laufende, sichere Kernkraftwerke müssen befristet weiterbetrieben werden. Je länger diese Entscheidungen hinausgezögert werden, umso mehr wird die Stromversorgungssicherheit und -preisstabilität beeinträchtigt. Dadurch, dass die Ampel einseitig auf Kohlekraft setzt, droht zudem eine Vergrößerung der Klimalücke. Zudem müssen die politischen Grundsatzentscheidungen für mögliche Abschaltungen beim Erdgas politisch verantwortet werden. Diese weitreichenden Entscheidungen sollten nicht allein in der Hand einer Behörde liegen, es muss zu grundsätzlichen Fragen politische Richtlinien geben.

4. Es braucht ein Entlastungs- und Einsparungsdoppel, bestehend aus einem Energie-Grundbedarf und Energie-Bürgergutscheinen. Durch einen Preisdeckel für Grundbedarf einer bestimmten Menge an Strom und Gas schaffen wir vor allem für Menschen mit geringerem Einkommen eine überproportionale Entlastung. Mit dem zweiten Teil des Doppels, den Bürgergutscheinen, setzen wir finanzielle Anreize, indem jede im Jahresvergleich eingesparte Kilowattstunde auf der übernächsten Rechnung mit einer Gutschrift von beispielsweise 20 Cent pro Kilowattstunde belohnt wird. Jede durch solche Anreize eingesparte Kilowattstunde macht einen Unterschied und ist den Aufwand wert, muss sie doch nicht zusätzlich und zu ungleich höheren Preisen beschafft werden. Davon unbenommen muss neben einer Ausweitung der Energiekostenpauschale für Rentner und Studenten auch der Abbau der kalten Progression als Teil eines Inflationsbekämpfungspakets umgesetzt werden.

5. Das Energiekostendämpfungsprogramm für die von Erdgas- und Strompreissteigerungen besonders betroffenen Unternehmen muss dringend angepasst werden. Dabei muss insbesondere auch die Situation von Mittelständlern und Handwerksbetrieben berücksichtigt werden. Nicht jede Teuerung kann der Staat ausgleichen, aber es braucht eine faire Unterstützung nicht nur für Groß-, sondern auch für kleinere Betriebe, die besonders von den Rekordenergiekosten betroffen sind. Die Absenkung der Hürden für das Hilfsprogramm zur Unterstützung energieintensiver Unternehmen muss umgehend kommen. Zusätzlich muss das angekündigte, aber noch nicht umgesetzte Auktionsprogramm für die Industrie dringend um finanzielle Anreizmechanismen ergänzt werden. Andernfalls dürfte das Programm weitgehend wirkungslos bleiben. Zudem muss als konsequenter Schritt nach Abschaffung der EEG-Umlage nun auch die Absenkung der Stromsteuer angegangen werden. Bundeskanzler Scholz hat im Wahlkampf versprochen, einen Industriestrompreises von vier Cent einzuführen.

6. Die auch kurzfristige Beschaffung von Flüssiggas durch die Gasimporteure muss intensiv politisch flankiert werden. Die Bundesregierung sollte darlegen, welche Rahmenbedingungen sie bereit ist, für kurzfristige Lieferbeziehungen anzupassen, etwa im Hinblick auf Vertragslaufzeiten oder die Unterstützung von Infrastrukturinvestitionen vor Ort in Lieferländern.

Sieben Wochen nach der vergangenen Sitzungswoche im Bundestag müssen wir feststellen: Die Ampel hat wesentliche notwendige Entscheidungen für das energiepolitische Krisenmanagement ver- und sich selbst durch den Sommer geschleppt. Unsere Angebote zu einer Sondersitzung des Bundestages, zu schnellen Entscheidungen für die Bürgerinnen und Bürger und für die Versorgungssicherheit unseres Landes hat die Ampelkoalition ausgeschlagen.