Noch viel auf dem Plan

Kaufbeuren - Er badete im Neptunbrunnen, machte bei seiner „24-Stunden-Tour“ die Nacht zum Tag und kämpfte ebenso leidenschaftlich wie vergeblich für eine Christusstatue hoch über der Stadt: Zugegeben, die Amtszeit als Oberbürgermeister auf diese Weise zu reduzieren, wäre nicht seriös. Stefan Bosse (59), der am Heiligen Abend geboren wurde, ist mit einer lapidaren Aufzählung kaum zu beschreiben. 20 Jahre ist der CSU-Politiker nun Chef im Rathaus, seitdem er sich als einst jüngster Kriminaldirektor Bayerns 2004 gegen Oberbürgermeister Andreas Knie (FW) durchsetzte.

Wie blickt Bosse nach drei weiteren Wahlen selbst zurück? „Für mich persönlich war und ist es ein großes Glück, dass ich meiner Heimatstadt als Oberbürgermeister dienen darf“, sagt der Vater von zwei erwachsenen Töchtern. „Die 20 Jahre sind subjektiv unglaublich schnell vergangen und haben mein Leben mit vielen Erlebnissen, Erfahrungen und wertvollen Begegnungen bereichert.“ Dankbar sei er für die Unterstützung, ohne die er nicht erfolgreich arbeiten könne. „Deshalb ein großes Dankeschön an Mitarbeiter, Freunde, politische Weggefährten und natürlich an meine Familie, vor allem meine Partnerin Katja, die mich immer wieder erdet“, sagt der Kaufbeurer, der noch 32 weitere Ämter innehat – vom VWEW-Aufsichtsratschef bis zur Mitgliedschaft im Lenkungskreis der Europäischen Metropolregion München.

Bosse blickt auch kritisch zurück. Eines seiner großen Themen war die umstrittene Ansiedlung des Forettle-Centers. „Die Entscheidung für das Forettle war in der Situation des Jahres 2012 richtig“, sagt er heute. „Wenn ich aber gewusst hätte, welche Spaltungskräfte der Bau des Fachmarktzentrums freisetzt und für welche Fehlentwicklungen dieses Vorhaben bis heute als Sündenbock fälschlicherweise herangezogen wird, hätte es damals von mir keine Zustimmung gegeben.“

Als die großen Ereignisse in seiner Amtszeit sieht er die Ansiedlung des Unternehmens Hawe Hydraulik vor mehr als zehn Jahren, den Erhalt des Bundeswehrstandortes, den Bau des Eisstadions, die Zusage für den vierspurigen Ausbau der B12 und die Sicherung der Finanzhochschule. Was wurmt Bosse bis heute, was ist ihm nicht gelungen? „Leider gibt es, trotz aller Anstrengungen, bei der Wirtschafts- und Finanzkraft Kaufbeurens noch immer zu viel Luft nach oben“, räumt Bosse ein. Auch seine To-do-Liste ist so lang, dass dafür kaum der Rest der aktuellen Amtszeit reicht. Bosse sieht es als große Aufgabe für die Zukunft an, die Altstadt zu beleben, alle Unternehmen zu halten und neue Firmen anzusiedeln, die Stadtverwaltung für den demografischen und digitalen Wandel fit zu machen, den Neubau des Bahnhofs zu erreichen und zudem auch noch unbeschadet durch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise zu kommen.

Eines seiner weiteren Themen: den Frieden in der Stadtgesellschaft bewahren. Für ein rundes Bild sagt der politische Gegner Oliver Schill von den Grünen, der als Zweiter Bürgermeister Bosses Stellvertreter ist und dessen Partei im Stadtrat eine nicht immer ganz einfache Koalition mit der CSU-Fraktion pflegt, folgendes: „Das Amt des Oberbürgermeisters ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die oft über das rein Berufliche hinausgeht und auch das Private fordert.“ Diplomatisch-wertschätzend fügt er hinzu: „20 Jahre in dieser Position gleichen einem Marathon. Sich immer wieder neu zu motivieren, offen für Veränderung zu bleiben und nicht in Erfahrungen der Vergangenheit zu verharren, bleibt eine große Herausforderung.“ Respekt, Dank und Anerkennung, auch im Namen des Stadtrats, spricht Schill aus und wird noch persönlich: „Was unsere Zusammenarbeit betrifft, so sind wir beide sicherlich sehr verschieden – und das wiederum ist unsere gemeinsame Stärke“, sagt er. „Unterschiedliche Perspektiven beleben die Diskussion und fördern neue Ansätze.“

Eine weitere ehrliche Würdigung kommt vom CSU-Bundestagsabgeordneten und Stadtratsmitglied Stephan Stracke: Es sei eine Freude, die Region unter seiner Führung weiterzuentwickeln. „So macht politische Arbeit richtig Spaß“, sagt er. „Auf die nächsten Jahre voller Tatkraft und Vision für Kaufbeuren.“