Strukturwandel in der Fleischwirtschaft - Stracke im Gespräch mit der Geschäftsführung von Vion
Über den Strukturwandel in der Fleischindustrie sprach der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke (CSU) mit Bernd Stange, Armin Trinkwalder und Roger Legath von der Geschäftsführung der Vion GmbH in Buchloe.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Berichte über die Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen und dem geplanten neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischwirtschaft hatte Stracke um dieses Gespräch gebeten. "Die derzeitige Corona-Lage hat den Blick geschärft auf die oftmals prekären Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten in den Schlachthöfen. Es ist richtig, dass der Gesetzgeber nun durchgreift und Ordnung in die Fleischbranche bringt. Das Beispiel Tönnies hat gezeigt, wie rasch sich das Virus ausbreiten kann. Aber es hat auch in geradezu toxischer Weise eine ganze Branche in Verruf gebracht. Deshalb ist es mir heute besonders wichtig, mich mit Ihnen darüber auszutauschen, wie Sie die notwendigen Veränderungen in der Fleischindustrie anpacken", so der Abgeordnete zum Auftakt des Treffens.
Vion ist ein internationaler Hersteller von Fleisch, Fleischerzeugnissen und pflanzlichen Alternativen mit Produktionsstandorten in den Niederlanden und Deutschland sowie Vertriebsunterstützungsbüros in 13 Ländern weltweit. Das Unternehmen gilt als eines der größten in der Fleischindustrie in Europa und ist im Bereich der Rindfleischverarbeitung in Deutschland die Nummer 1. Am Standort Buchloe sind derzeit rund 450 Mitarbeiter beschäftigt. Hier erfolgt auch die Personalabrechnung des Gesamtunternehmens. Bei Vion Buchloe werden jede Woche 2.500 Rinder geschlachtet und rund 600 Tonnen Rindfleisch zerlegt. Ein Drittel der Mitarbeiter sind Fremdarbeiter.
Seit Jahren in der Kritik stehen große Schlachthöfe insbesondere aufgrund ihres Einsatzes von zumeist osteuropäischen Werkvertragsbeschäftigten. Dieser Einsatz erfolgt häufig über Subunternehmerketten. Weil das Werkvertragsunternehmen meist keinen Tarifvertrag und keinen Betriebsrat hat, arbeiten die über Werkverträge Beschäftigten deutlich länger und für einen geringeren Lohn als die Stammbelegschaft.
Wie Stange ausführte, werde das im neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz beinhaltete Verbot von Werkverträgen für die gesamte Fleischindustrie von Vion ausdrücklich begrüßt. Schon seit Jahren reduziere das Unternehmen kontinuierlich die Anzahl der Mitarbeiter mit Werkverträgen an seinen verschiedenen deutschen Standorten. "Das steht im Einklang mit unserer verantwortungsbewussten und nachhaltigen Unternehmenspolitik", bekräftigten Trinkwalder und Legath. Stracke, der auch arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag ist, begrüßte ausdrücklich, dass die Vion-Geschäftsführung das gesetzliche Verbot nicht abwarte, sondern bereits in den vergangenen Wochen beschlossen habe, ab dem 1. Januar 2021 keine Mitarbeiter mehr über Werkverträge zu beschäftigen.
Allerdings habe dieser Beschluss auch weitreichende Folgen für das Unternehmen, berichtete die Geschäftsführung. So werde es nicht einfach, das notwendige Personal zu gewinnen. Anders als beispielsweise bei Tönnies würden bei Vion alle Mitarbeiter nach Tarifvertrag bezahlt. Dadurch trägt das Unternehmen schon heute höhere Personalkosten. Wenn nun auch die bisher über Werkverträge beschäftigten Mitarbeiter ins Unternehmen integriert werden, dann gelten auch für sie die Bedingungen des Tarifvertrages. Damit entsteht dem Unternehmen, wie die Gesprächspartner ausführten, ein gravierender Nachteil im Wettbewerb. Ein Gleichgewicht könne nur dann wieder hergestellt werden, wenn entweder der Tarifvertrag im Unternehmen aufgekündigt werde oder ein bundeseinheitlicher Tarifvertrag für die gesamte nationale Fleischindustrie verhandelt werde. Stracke bekräftigte, dass ein branchenweiter Tarifvertrag die beste Lösung sei. Er mahnte jedoch an, dass es hierzu auch eines Arbeitgeberverbandes auf Bundesebene bedürfe. Hierzu sei noch eine Klärung auf der Arbeitgeberseite nötig. Dann werde auch deutlich, ob die Mitbewerber von Vion gleichfalls auf eine tarifvertragliche Lösung setzen würden.
Als Konsequenz des Verbots von Werkverträgen würde Fleisch aus deutscher Produktion deutlich teurer werden, so die Einschätzung der Geschäftsführung von Vion. Nach der bisherigen Erfahrung könne man davon ausgehen, dass der starke Preiswettbewerb bei den Einzelhandelsriesen dazu führen wird, dass die Mehrkosten nur zu einem Teil an den Verbraucher weitergegeben werden. Zu befürchten sei, dass noch mehr Fleisch als bisher aus dem Ausland importiert werde. Dass aber gerade im osteuropäischen Ausland die Standards beim Tierwohl wie bei den Arbeitsbedingungen schlechter sind als in Deutschland, liege auf der Hand.
Stracke, der im Zuge der Beratungen zum geplanten Arbeitsschutzkontrollgesetz in intensivem Austausch auch mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium steht, bestätigte, dass der Preisdruck vermutlich auch zu Lasten der Landwirte gehen werde. Es dürfe nicht sein, dass eine solche Entwicklung Betriebsaufgaben in der Landwirtschaft beschleunige.
Vielfach angemahnt wurden in der Debatte der vergangenen Wochen auch die Mindeststandards bei der Unterbringung von Mitarbeitern in Gemeinschaftsunterkünften. Tatsächlich ist der Großteil der Mitarbeiter bei Vion, die aus dem Ausland kommen, in privat angemieteten Wohnungen untergebracht, wie die Geschäftsführer erklärten. Damit falle bislang für das Unternehmen die Möglichkeit der Kontrolle weg.
Die Gesprächspartner dankten dem Abgeordneten für die Gelegenheit zum Dialog. "Wir selbst werden die angestrebten Verbesserungen beim Arbeitsschutz und in der Wohnsituation von Mitarbeitern an allen Vion-Standorten in Deutschland schnellstmöglich umsetzen", sagten sie zu.
"Das Geschäftsmodell der Fleischindustrie insbesondere bei der Schlachtung und Fleischzerlegung muss sich verändern. Deshalb wird der Gesetzgeber für geordnete und sicherere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen in dieser Branche sorgen. Dabei darf das Tierwohl keinesfalls außer Acht gelassen werden. Nicht nur zentrale, sondern vor allem regionale Schlachthöfe wie hier bei Vion in Buchloe haben vor diesem Gesichtspunkt hohe Bedeutung. Auch aus Sicht der Landwirtschaft muss alles dafür getan werden, dass regionale Schachthöfe bestehen bleiben und noch mehr an Bedeutung gewinnen", so der Abgeordnete abschließend.