Schutzansprüche werden in jedem Einzelfall geprüft

Kaufbeuren/Allgäu. Über 1.500 Unterschriften haben Vertreter des Bündnisses für Flüchtlinge Kaufbeuren, Ostallgäu und Umgebung am 9. Februar an den Allgäuer Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke (CSU) übergeben. Stracke hatte sich Zeit für ein ausführliches Gespräch mit den Mitgliedern des Bündnisses genommen und lobte deren großes Engagement.

In einem offenen Brief fordert das Bündnis gemeinsam mit allen Unterzeichnenden von den politisch Verantwortlichen sicheres Bleiberecht für Flüchtlinge aus Afghanistan sowie Zugang zu Integrations- und Sprachkursen für alle Flüchtlinge. Eine Abschiebung nach Afghanistan, das für sie kein sicheres Herkunftsland darstellt, betrachten sie als staatliches Unrecht.

Stracke zeigte Verständnis für die Sorge der ehren- und hauptamtlichen Helfer in der Flüchtlingsarbeit. Zugleich wies er darauf hin, dass nach Einschätzung des UNHCR die Sicherheitslage in Afghanistan deutliche regionale Unterschiede aufweise. „Derzeit bewegt sich in Afghanistan sehr viel. Es liegt in unserer Verantwortung, die Sicherheitslage im Land, die zugegebenermaßen volatil und wenig berechenbar ist, aufmerksam zu beobachten“, so Stracke. Die Lage aber generell als allgemein unsicher zu bezeichnen, sei falsch.

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es Provinzen und Distrikte gibt, in denen die Lage vergleichsweise sicher und stabil sei. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind weiterhin in der Lage, in den meisten urbanen Zentren – darunter fallen die Hauptstadt Kabul sowie die Mehrzahl der 33 weiteren Provinzhauptstädte – die Kontrolle auszuüben.

Davon geht auch die IOM (International Organization for Migration) aus. 3.200 Menschen sind im vergangenen Jahr freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen konnte die IOM bestätigen, dass eine Reihe von Regionen ausreichend sicher ist.

Die Mitglieder des Bündnisses für Flüchtlinge erklärten dagegen, dass der UNHCR in seiner letzten Mitteilung das gesamte Staatsgebiet Afghanistans in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt sieht und daher keine sicheren Provinzen ausgewiesen werden können. Die Angst vor der Abschiebung in ein Kriegsgebiet hinterlässt Spuren in Kaufbeuren und im Ostallgäu: bei den afghanischen und anderen Flüchtlingen aber auch bei Helfern, Lehrern, Ärzten und Arbeitgebern, die mit ihnen in Kontakt stehen. „All die Bemühungen bei der Integration werden dadurch konterkariert“, sagte Michael Rösch vom Bündnis für Flüchtlinge. Viele Menschen aus der Region können das harte Vorgehen der bayerischen Regierung, insbesondere die Arbeitsverbote für afghanische Flüchtlinge nicht verstehen. Dass in Deutschland die Lage in Afghanistan unterschiedlich bewertet wird, zeigt, so die Vertreter des Bündnisses, dass fünf Bundesländer sich im Moment weigern, Menschen nach Afghanistan abzuschieben.

Den vom Bündnis genannten Bedenken werde dadurch Rechnung getragen, betonte der Abgeordnete, dass im Rahmen des Asylverfahrens in jedem Einzelfall Schutzansprüche und zielstaatsbezogene Abschiebehindernisse geprüft werden.

Die Gesamtschutzquote in 2016 für Afghanistan betrug 56 Prozent. Dies verdeutliche, dass es in vielen Fällen tatsächlich eines Schutzes bedarf. „In den anderen Fällen jedoch, die auch nach einem Gerichtsverfahren abgelehnt werden, ist es entscheidend, dass wir zu einer Aufenthaltsbeendigung kommen, vorzugsweise durch freiwillige Rückkehr.“ Wichtiger als je zuvor sei es, bei Asylbewerbern, die zu uns kommen, klar zu unterscheiden zwischen den Personen, die Anspruch auf unseren Schutz haben, und jenen, die diesen Anspruch nicht besitzen.

Dr. Thomas Melcher vom Bündnis wies darauf hin, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan seit Dezember deutlich verschlechtert habe. „Sogar das Rote Kreuz hat deswegen vor kurzem seine Tätigkeit im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan eingestellt.“ Es sei unverantwortlich, Flüchtlinge in ein derart unsicheres Land abzuschieben, zeigten sich die Vertreter des Bündnisses für Flüchtlinge überzeugt.


„Deutschland und Afghanistan haben sich in einem gemeinsamen Abkommen im Oktober 2016 auf verbindliche Regeln für eine Rückkehr von ausreisepflichtigen Afghanen verständigt“, erklärte Stracke. So wurden die im Dezember zurück geführten Personen bei ihrer Ankunft in Kabul vom afghanischen Flüchtlingsministerium, von IOM-Mitarbeitern, von der gemeinnützigen humanitären Organisation für psychosoziale Betreuung (IPSO), von Mitarbeitern der Deutschen Botschaft und der Bundespolizei vor Ort in Empfang genommen und versorgt. „Diese Betreuung ist für alle Rückführungsaktionen nach Afghanistan sichergestellt“, erklärte der Abgeordnete. Aktuell bestehe auch für rückgeführte Personen die Möglichkeit, im Rahmen des europäischen Programms ERIN (European Reintegration Instrument Network) Reintegrationshilfen von bis zu 700 Euro zu beantragen.

Abschließend bedankte sich Dr. Cornelia Paulus vom Arbeitskreis Asyl für das ausführliche Gespräch und äußerte die Hoffnung, dass der Bundestagsabgeordnete die Anliegen der Unterzeichner des offenen Briefs aus dem Ostallgäu an die Verantwortlichen in Berlin weiterleitet.