Im Gespräch über Bauen im Allgäu und Bürokratieabbau: Engelbert Burkhart, Stephan Stracke, Christoph Hitzelberger, Manfred Wind und Robert Klauer (v.l.n.r.).

Ländlicher Raum braucht bauliche Freiheit

Kaufbeuren/Berlin – Wie kann es insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern im ländlichen Raum erleichtert werden, bestehende Gebäude zu sanieren, umzunutzen oder neuen Wohnraum zu schaffen? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Fachgesprächs, das der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke (CSU) mit Vertretern der Bau-Innungen aus Kaufbeuren und dem Ostallgäu führte. Im Zentrum der Diskussion stand die praktische Anwendung von Paragraf 35 des Baugesetzbuchs, der das sogenannte Bauen im Außenbereich regelt. 

Teilnehmer des Gesprächs waren Christoph Hitzelberger, Obermeister der Bau-Innung Füssen-Marktoberdorf, Robert Klauer, Kreishandwerksmeister und Obermeister der Bau-Innung Kaufbeuren, sein Stellvertreter Manfred Wind aus Westendorf sowie Engelbert Burkhart von der Bau-Innung Füssen-Marktoberdorf.

Zum Auftakt des Gesprächs wies Stracke auf die grundsätzliche Bedeutung der Regelung hin. Ziel der gesetzlichen Regelung zum Bauen im Außenbereich sei es, die gewachsene Kulturlandschaft zu bewahren und einer ungeordneten Zersiedelung entgegenzuwirken. „Dieses Anliegen ist richtig und wichtig“, so Stracke. „Doch in der Praxis wird die Regelung zunehmend zum Hemmschuh – vor allem dann, wenn es um die Sanierung oder Umnutzung bestehender Gebäude geht. Gerade im ländlichen Raum brauchen wir deutlich mehr Flexibilität und weniger bürokratische Hürden.“

Die Gesprächspartner aus dem Handwerk bestätigten dies anhand zahlreicher Beispiele – etwa zur stockenden Genehmigungspraxis, zu hohen formalen Anforderungen und zum teils widersprüchlichen Umgang mit Bestandsgebäuden. „Wer sanieren will, darf dafür nicht bestraft werden. Energetische Sanierungen oder klimagerechte Bauweisen scheitern immer wieder an starren Vorgaben. So bleibt Nachhaltigkeit auf der Strecke.“

Stracke zeigte großes Verständnis für diese Anliegen. Er sagte zu, sowohl das Gespräch mit dem zuständigen Bauamt im Landratsamt Ostallgäu zu suchen als auch beim Bayerischen Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, Christian Bernreiter, nachzuhaken – insbesondere zum Umgang mit Tragwerkskonstruktionen.

Ein weiteres zentrales Thema war die zunehmende Bürokratie, unter der Betriebe im Baugewerbe leiden. Wind schilderte die Entwicklung aus seiner Unternehmenspraxis: „In den letzten Jahren hat sich unser Verwaltungsaufwand massiv erhöht. Während meine Truppe auf der Baustelle mit 30 Mann unverändert stark ist, mussten wir das Personal in der Verwaltung verdreifachen – allein um die steigenden Dokumentations- und Nachweispflichten erfüllen zu können.“ 

Kreishandwerksmeister Klauer ergänzte: „Diese Regeln binden nicht nur unnötig Kapazitäten, sie treiben auch die Baukosten massiv in die Höhe. Planungen scheitern oft nicht am Willen, sondern an der Paragrafendichte.“ Klauer und Stracke, beide Mitglieder des Kaufbeurer Stadtrats, erlebten, wie sie berichteten, die Auswirkungen der Regelungsflut regelmäßig in der kommunalen Praxis. 

In diesem Zusammenhang regte Stracke die Idee sogenannter Experimentierklauseln an, also die Möglichkeit, bestimmte Vorschriften befristet auszusetzen, um in der Praxis zu prüfen, ob sie tatsächlich benötigt werden. „Das wäre ein konkreter Schritt in Richtung Entlastung. Wir müssen wieder ermöglichen, was sinnvoll ist – statt alles durch Paragrafen zu verkomplizieren“, betonte er. Dass die Diskussion zur richtigen Zeit kommt, zeige ein Blick in den neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD. Darin ist eine grundlegende Baugesetzbuch-Novelle angekündigt – mit einer Entbürokratisierungsoffensive, der Vereinfachung von Baustandards und einem flexibleren Umgang mit Vorschriften, insbesondere für ländliche Räume.

Ein wichtiger Baustein in der Praxis könne dabei der sogenannte Gebäudetyp E sein – das „E“ steht für „einfach“. Dieser Typ erlaubt bewusst vereinfachte bauliche und energetische Standards, wenn die Nutzerinnen und Nutzer sich der geringeren Anforderungen bewusst sind. Ziel ist es, schneller, günstiger und flexibler bauen zu können. Allerdings müsse für den rechtssicheren Rahmen das Mängelrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch noch klargestellt werden, ergänzte Stracke.

„Jetzt ist der richtige Moment, um die Anliegen des Handwerks in die politische Diskussion einzubringen. Nur wenn wir Bürokratie abbauen und praxisnahe Lösungen ermöglichen, können wir ländliche Räume wie das Allgäu zukunftsfähig gestalten. Nach drei Jahren Ampelregierung und weitgehendem Stillstand in der Bau- und Mittelstandspolitik liegt der Ball nun bei Union und SPD. Beide tragen in der neuen Koalition Verantwortung – und müssen jetzt zügig liefern: für Entlastung, für mehr Dynamik und für eine Wirtschaftspolitik, die dem Handwerk, dem Mittelstand und der Bauwirtschaft endlich wieder Rückenwind gibt“, so der Abgeordnete abschließend.