Könnte die Teilung der Planungsregion Kaufbeuren mehr Hausärzte ins Ostallgäu locken?

Ostallgäu. Der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke und seine Landtagskollegin Angelika Schorer (beide CSU) tauschten sich im Rahmen einer Videokonferenz mit Ärzten aus dem nördlichen Ostallgäu sowie den Bürgermeistern von Buchloe, Germaringen und Oberostendorf zum Hausärztemangel im Ostallgäu aus. Schorer hatte zusammen mit Stracke die Gesprächsrunde initiiert, um auszuloten, welche konkreten Verbesserungsmöglichkeiten es gibt, um den hausärztlichen Bereich in der Region zu stärken.

Anlass für die Diskussion war die überraschende Ankündigung von Dr. Rainer Albrecht am 26. September2020, seine Landarztpraxis in Oberostendorf zum 30. September 2023 schließen zu wollen. Am 25. September 2020 hatte Stracke dazu bereits ein intensives Gespräch mit Dr. Albrecht geführt und ihm angeboten, die Gründe für seine Aufgabe vertieft zusammen mit weiteren ärztlichen Kollegen zu erörtern. Am 1. Oktober 2020 haben sich auch Schorer und Dr. Christian Alex, Ehrenvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CSU, mit Dr. Albrecht zum Austausch in dessen Praxis in Oberostendorf getroffen. Nun kam die geplante Gesprächsrunde in Form einer Videoschalte zusammen. Dr. Albrecht begründete dabei seinen Schritt vor allem mit überbordender Bürokratisierung und Arbeitsüberlastung. Das Fass zum Überlaufen habe für ihn die gesetzlich verpflichtende Anbindung aller Arztpraxen an die Telematikinfrastruktur (TI) gebracht. Diese sei massiv störanfällig und deshalb ein hoher zeitraubender Faktor im täglichen Praxisablauf. Die Störanfälligkeit bestätigten auch seine Kollegin Dr. Beate Komarek-Altenbuchner sowie Dr. Georg Hessel, beide Hausärzte in Buchloe. Die Aussicht darauf, dass die TI ab Januar 2021 verpflichtend ist, sei ihnen ein Graus, erklärten sie.

Dr. Jakob Berger, ebenfalls praktizierender Allgemeinarzt, schwäbischer Vorstandsbeauftragter in der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern und Landesvorsitzender im Bayerischen Hausärzteverband, betonte in der Diskussion, dass es bei der TI "sicherlich noch nicht ganz rund laufe". Auf Bitten des Bundestagsabgeordneten werde er die technischen Mängel bayernweit zusammentragen, so dass dies auf Bundesebene zum Thema gemacht werden könne. Gleichwohl betonte Dr. Berger übereinstimmend mit Stracke, dass die TI alle Beteiligten im Gesundheitswesen vernetzen und die sichere Kommunikation zwischen ihnen ermöglichen soll. Ziel sei es, die Behandlungsqualität von Patienten perspektivisch zu erhöhen und gleichzeitig Zeit und Kosten zu sparen, indem beispielsweise Doppeluntersuchungen oder unerwünschte Wechselwirkungen zwischen einzelnen Arzneimitteln im Zuge der Therapie vermieden werden. Gerade die Corona-Pandemie zeige, welche Vorteile Videosprechstunden haben. Stracke, der auch gesundheitspolitischer Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag ist, dankte den Ärzten für die wichtigen Hinweise aus der Praxis. Er sei sehr gerne bereit, sich vor Ort ein Bild über die konkreten Probleme zu machen. "Diese müssen wir schnell ausmerzen", machte er klar.

Der Bürgermeister von Oberostendorf Helmut Holzheu bedauerte sehr den Schritt von Dr. Albrecht, seine Hausarzttätigkeit in drei Jahren zu beenden. "Unser Dr. Albrecht betreut fast doppelt so viele Patienten wie ein durchschnittlicher Hausarzt in Bayern. Nach dem so gut wie alle Hausarztpraxen in unserer Umgebung keine Patienten mehr aufnehmen, stellt sich mir die Frage, wohin denn die Patienten gehen sollen, wenn Dr. Albrecht im September 2023 seine Praxis schließt", so der Bürgermeister. Die Gemeinde werde alles dafür tun, dass der Arztsitz hier wiederbesetzt werde. "Oberostendorf wächst. Unsere Bürger brauchen einen Hausarzt vor Ort", unterstrich Holzheu. Wie schwierig es heutzutage sei, einen Arzt zur Niederlassung im ländlichen Raum zu gewinnen, machten die Bürgermeister Helmut Bucher aus Germaringen und Robert Pöschl aus Buchloe deutlich. So sei es trotz großer Anstrengungen beispielsweise nicht gelungen, in Buchloe wieder einen Kinderarzt trotz freiem Arztsitz zu finden. Positiv sei jedoch, dass die Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren eine Kindernotfallambulanz im Krankenhaus Buchloe anbieten, so Bürgermeister Pöschl.

"Die Bürger wollen nicht nur in der Stadt, sondern zurecht auch auf dem Land gut versorgt sein. Der Hausarzt hat dabei eine absolute Schlüsselstelle", stellten Schorer und Stracke fest. "Wir brauchen vor allem mehr junge Menschen, die sich für den wichtigen Beruf des Hausarztes begeistern und ihn auch auf dem Land ausüben wollen. Mit der Landarztquote ermöglichen wir jungen Menschen, auch ohne Einser-Abitur Medizin zu studieren", so die beiden Abgeordneten. Dass dieser Weg genau der richtige sei, bestätigten auch Dr. Berger und die Kaufbeurer Ärztin Dr. Marlene Lessel, die zugleich 1. Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Ostallgäu ist. Allerdings sei es notwendig, dass die Bundesländer die Anzahl der Medizinstudienplätze endlich deutlich erhöhen. Seit der Wiedervereinigung läge diese deutschlandweit bei rund 11.000. "Das ist viel zu wenig, um dem wachsenden Bedarf an Medizinern gerecht zu werden", sagte Dr. Lessel. Ein wichtiger Faktor für eine größere Attraktivität des Berufs Landarzt sei nach Meinung von Dr. Lessel eine planbare Arbeitszeit, die auch Familienleben und Freizeit zulasse. Da sich immer mehr Frauen für den Arztberuf entschieden, sei die Vereinbarkeit mit Familienleben und Kindererziehung wichtiger denn je. Sie wies darauf hin, dass Konzepte der gemeinschaftlichen Berufsausübung, wie Gemeinschaftspraxen, überörtliche oder fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften, bei der Niederlassung in einer Region geprüft und in Erwägung gezogen werden sollten. Insbesondere mit Blick auf Arbeitszeit und Arbeitsbelastung könnten diese gegenüber der Einzelpraxis Vorteile bringen, berichtete sie. Der Einsatz von Praxismanagern könnte dem Arzt die zeitaufwendige Dokumentation und Praxisorganisation erleichtern. Dr. Lessel bot an, dass der Ärztliche Kreisverband Ostallgäu einen Workshop mit interessierten Ärzten organisiert, um Praxisprobleme zu besprechen und um Lösungen für die Wiederbesetzung der Hausarztstelle in Oberostendorf zu erarbeiten. Die beteiligten Ärzte in der Videokonferenz fanden diese Idee sehr gut und wollen sich bei dem anstehenden Folgegespräch gerne mit ihren Vorschlägen einbringen.

Stracke und Schorer lenkten die Diskussion auf die Versorgungssituation mit Hausärzten im gesamten Planungsbereich Kaufbeuren, der die Stadt Kaufbeuren und sämtliche Gemeinden im Altlandkreis umfasst. So sei rein statistisch betrachtet die Versorgungssituation mit 66 Hausärzten und einem Versorgungsgrad von über 110 Prozent durchaus gut. Positiv sei zudem, dass das Durchschnittsalter der Ärzte gerade in Kaufbeuren deutlich besser sei als der bayernweite Schnitt. "Auffallend ist, dass 42 Hausärzten in Kaufbeuren gerade einmal 24 im nördlichen Ostallgäu gegenüberstehen. Das ist ein deutliches Ungleichgewicht", meinten die Abgeordneten. Um eine bessere Verteilung der Arztsitze zu erreichen und auch perspektivisch die Niederlassungsmöglichkeiten im Ostallgäu zu verbessern, machten Stracke und Schorer den Vorschlag, den Planungsbereich aufzuspalten, so dass bei der Zulassung von neuen Ärzten die Stadt Kaufbeuren und die Umlandgemeinden jeweils getrennt voneinander betrachtet werden können. Dieser Schritt wurde im Unterallgäu mit der Stadt Memmingen bereits erfolgreich vollzogen. Dr. Berger unterstützte diesen Vorschlag nachdrücklich. Er betonte, dass diese Teilung aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern sehr überlegenswert sei, um die Bedarfsplanung im nördlichen Ostallgäu zum Positiven zu verändern. "Wir brauchen insgesamt mehr Kollegen!", war auch er überzeugt. "Eine Teilung bietet die Chance auf neue Niederlassungsmöglichkeiten im Ostallgäu. Sie bedeuten jedoch nicht, dass dafür auch automatisch Ärzte zur Verfügung stehen", stellte Dr. Alex klar. Die Runde verständigte sich darauf, dass die Möglichkeit der Aufspaltung des Planungsbereichs vertieft betrachtet und abgewogen werden müsse. Allen Beteiligten ist dabei klar, dass der Weg angesichts strikter Kriterien für die Teilung schwierig werde. "Der heutige Austausch hat den Stein ins Rollen gebracht. Wir werden nicht locker lassen und Anfang des kommenden Jahres zu einer nächsten Konferenz mit allen Akteuren einladen", resümierten die Abgeordneten am Schluss der Gesprächsrunde.