Am notwendigsten wäre Planungssicherheit
Kaufbeuren/Ostallgäu. Anfang Dezember tauschten sich der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke, seine Landtagskollegin Angelika Schorer, Staatsminister a.D. Franz Josef Pschierer MdL und Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (alle CSU) mit Vertretern der IHK-Regionalversammlung Kaufbeuren/Ostallgäu aus. Seitens der IHK nahmen an diesem wirtschaftspolitischen Gespräch der Vize-Präsident der IHK Schwaben Gerhard Schlichtherle, Peter Leo Dobler, Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Kaufbeuren/Ostallgäu, und der neue Regionalgeschäftsführer Björn Athmer teil.
"Die Pandemie ist für uns alle eine Zumutung. Die Unternehmen in unserer Region haben bislang der Krise mit Entschlossenheit und Ideenreichtum die Stirn geboten. Sie haben verantwortungsbewusst und solidarisch gehandelt", so die Politiker zum Auftakt des Gesprächs. Ihnen sei es wichtig, sich mit der IHK darüber auszutauschen, wie sich die Pandemie derzeit auf die konjunkturelle Lage in Kaufbeuren und dem Ostallgäu auswirke und wie der Blick auf das kommende Jahr aussieht, das für die Wirtschaft sicherlich weitere Herausforderungen bringe.
Wie Schlichtherle berichtete, habe sich die regionale Wirtschaft im dritten Quartal noch sehr optimistisch gezeigt. Nach dem größten Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit in diesem Frühsommer, habe man in den Monaten Juli bis September das Minus teilweise wieder ausgleichen können. Die nun im November gestartete neue IHK-Blitzumfrage habe allerdings ein deutlich eingetrübtes Bild gezeigt. Die Unternehmen berichteten jetzt in der zweiten Pandemiewelle, dass Nachfrageprobleme, die Stornierung von Aufträgen und coronabedingt ausfallende Mitarbeiter derzeit die schmerzhaftesten und häufigsten Auswirkungen von Corona auf die Wirtschaft seien. Die Auftragslage sei nach wie vor sehr beeinträchtigt. Dies beklagen vor allem Betriebe des Einzelhandels, die Automobilzulieferer sowie natürlich der gesamte Bereich des Tourismus, der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft und des Gastgewerbes. "Unterbrochene Lieferketten und logistische Engpässe machen unter anderem dem Baugewerbe zu schaffen", bestätigte auch Dobler. Er teilte zudem mit, dass derzeit die Kommunen mit ihren öffentlichen Investitionen eher zurückhaltend seien, privat aber mehr denn je investiert werde. Die Politiker aus Bund und Land betonten, dass der Bund und der Freistaat Bayern die Gewerbesteuerausfälle 2020 der Kommunen mit umfangreichen finanziellen Mitteln vollständig kompensiert habe und sich der kommunale Finanzausgleich in Bayern für 2021 mit über 10 Milliarden Euro auf dem Rekordniveau von 2019 halte. Deshalb sei man optimistisch, dass auch die Aufträge aus der öffentlichen Hand wieder ansteigen werden, so die Politiker. Oberbürgermeister Bosse zeigte sich diesbezüglich deutlich skeptischer, da die Einbrüche für die Kommunen erst 2021 sichtbar würden. Daher sei eine vorsichtige Finanzplanung der Kommunen veranlasst.
Insgesamt waren sich die IHK-Vertreter einig, dass viele Maßnahmen der Politik sehr gut und zielführend gewesen seien. Dies hätten auch die Unternehmen in Schwaben im Rahmen der Umfrage bestätigt. 26 Prozent gaben an, die Novemberhilfe des Bundes in Anspruch genommen zu haben und sogar 89 Prozent, auf das Instrument der Kurzarbeiter zugegriffen zu haben. Letzteres, so betonten alle, habe maßgeblich dazu beigetragen, die Fachkräfte in den Betrieben halten zu können. Die Verlängerung der Kurzarbeit bis Ende 2021 begrüße man seitens der IHK ausdrücklich. Auch die Kopplung des Ersatzes der Sozialversicherungsbeiträge an Weiterbildungsmaßnahmen ab Mitte des nächsten Jahres sei sinnvoll.
Das derzeit größte Problem mit Blick auf die Pandemie sei die fehlende Planungssicherheit, betonte Schlichtherle. Diese erschwere das Anfahren der Wirtschaft und die Investitionsbereitschaft. Allerdings war man sich in der Runde einig, dass die Pandemie keine Planung kennt, da die Entwicklung der Infektionszahlen letztlich komplett davon abhängt, wie sich jeder Einzelne verhält.
Dobler wünschte sich, dass die Gesundheitsämter in den verschiedenen Landkreisen ihre Corona-Maßnahmen mit Blick auf die Festlegung von Kontaktpersonen und Quarantänezeiten besser abstimmen und vereinheitlichen. Die in seinem Bauunternehmen beschäftigten Lehrlinge habe er aktuell präventiv aus den überbetrieblichen Schulen genommen, um eine mögliche Infektionsgefahr für seine gesamte Belegschaft zu minimieren.
Zur Situation am Lehrstellenmarkt berichtete Athmer, dass derzeit rund 11,5 Prozent weniger Ausbildungsverträge in Schwaben geschlossen wurden als noch 2019. Auf einen Azubi kämen im Schnitt fast zwei Lehrstellen. Jedoch seien trotz der Krise die Unternehmen gerade auch im Allgäu nach wie vor bereit, auf den Fachkräftenachwuchs zu setzen und daher auszubilden. Die seit Jahren bestehende Herausforderung, eine Lehre anstelle eines Studiums als geeigneten Ausbildungsweg zu etablieren, habe sich durch die Pandemie noch verschärft.
"Die Generation der jungen Leute, die im kommenden September ihre Ausbildung beginnen, dürfe nicht zu den Verlierern der Corona-Krise werden", betonten die Politiker. Sie verwiesen auf die deutlich verbesserte Ausbildungsprämie des Bundes und appellierten an alle Unternehmen, sie aktiv zu nutzen. Dass ein Großteil der heimischen Unternehmen mit viel Kreativität der Pandemie zum Trotz dennoch in Kontakt mit ihren potenziellen Lehrlingen bleiben und Schnupperwochen oder Praktika anböten, hoben die Politiker anerkennend hervor. Dabei unterstrichen sie auch die zunehmende Bedeutung von Online-Formaten. So werde der Berufsinformationstag des Arbeitskreises SchuleWirtschaft in Kaufbeuren erstmals im Januar 2021 als rein virtuelle Ausbildungsmesse stattfinden.
Um die Betriebe schnell und unkompliziert zu entlasten, wäre jetzt die richtige Zeit, die umfangreichen administrativen Auflagen und gesetzlichen Meldepflichten, denen die Unternehmen unterliegen, zu reduzieren, betonte Athmer.
"Die Pandemie wird uns weiter in Atem halten. Zusammenhalt und Solidarität sind weiterhin das Gebot der Stunde. Dabei lassen wir Unternehmen, Selbständige und die Beschäftigten in dieser schweren Zeit nicht allein. Dazu wenden Bund und Länder hohe Summen auf. Die Überbrückungshilfen für die Wirtschaft wurden bis Mitte 2021 verlängert und können von Unternehmern und Soloselbständigen in Anspruch genommen werden. Für die Novemberhilfe sind bundesweit zwischenzeitlich mehr als 140.000 Anträge eingegangen. Die Abschlagszahlungen bis zu 10.000 Euro werden zügig ausgezahlt und zukünftig auf bis zu 50.000 Euro erhöht. Allein der Bund stellt für die Novemberhilfe rund 15 Milliarden Euro zur Verfügung und für die Dezemberhilfe sogar rund 18 Milliarden Euro", bekräftigten die Politiker abschließend.